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Zehn alte DSB-Fähren im Hafen von Nakskov

Durch die neuen Schiffe auf der Vogelfluglinie und die Große-Belt-Brücke wurden in den letzten zwei Jahren nicht weniger als 12 verdiente Fähren der ehemaligen DSB arbeitslos. Während die Dronning Margrethe II mittlerweile wieder auf der Vogelfluglinie verkehrt, die Kronprins Frederik auf die Gedser-Rostock-Route verlegt wurde und auch die Heimdal andere Aufgaben bekam, lagen die übrigen neun Schiffe Ende des Jahres 1998 im Werfthafen von Nakskov auf und warteten auf eine ungewisse Zukunft.

Spontan entschloß ich mich an einem trüben Mittwoch im Dezember 1998 (16/12/1998), das einstige Rückgrat der DSB-Flotte zu betrachten und machte mich auf den Weg nach Nakskov, um auf diesem Wege auch endlich einmal die neuen Schiffe der Vogelfluglinie zu testen.

Da es mein erster Besuch in Nakskov werden sollte, hatte ich mich auf eine kleine Suchfahrt eingestellt. Auf der in die Stadt führenden Straße waren aber schon die ersten weißen Fährschiffsmasten zu erkennen und an deren Ende angekommen stand ich vor dem Bug des Beltveterans Sprogö. Das 1962 gebaute Schiff lag still im ruhigen Hafenwasser, alle Luken und Klappen waren verschlossen. Kein drehendes Radar mehr, das kleine, aber feine Schiff, dessen Oberdeck mir von einer Fahrt von Hallskov nach Knudshoved noch als herrlich verwinkelt bekannt war, dümpelte einsam und verlassen vor sich hin.

Gleich dahinter lag die langjährige Vogelfluglinien-Fähre Lodbrog, zuletzt ebenfalls auf dem Großen Belt beschäftigt. Auch hier war außer einem Lieferwagen, in dem ein Handwerker sein verdientes Frühstücksbrot mümmelte, keine Menschenseele zu sehen, weder auf noch neben dem Schiff.
Hinter der Lodbrog fiel mein Blick auf die beiden großen Intercity-Fähren Dronning Ingrid und Prins Joachim, die Seite an Seite, jeweils Bug an Heck links gegenüber festgemacht hatten. Am Hafeneingang konnte ich noch ein Schiff erkennen, das ich gar nicht erwartet hatte: Die auf der Kalundborg-Samsö-Route abgelöste Holger Danske, wie die Belt-Eisenbahnfähren noch im alten DSB-Gewand mit den rot-weiß-roten Streifen am Schornstein und dem Schiffsnamen an der Seite. Ob man wohl näher an diese Schiffe herankommen könnte?

“Ja, sicher! Sie müssen einfach außen einmal herumfahren!” sagte mir ein freundlicher Däne. Gesagt – getan. Langsam tastete ich mich vor und stand schließlich vor dem Eingangstor der “Nakskov Skibsvaerft”. Einen Moment zögerte ich noch. Ob man nun wirklich einfach so da reingehen dürfte? Nun ja, reger Betrieb schien ja nicht auf der Werft zu herrschen, und fragen konnte ich auch nicht: Keine Menschenseele war weit und breit zu sehen. Und da es auch nirgendwo “Ingen Adgang!” hieß, trat ich schließlich ein, wie durch das Eingangstor eines Freilichtmuseums, in dem es weder Kassierer noch Wächter noch Besucher gab.

Wenig später fiel mein Blick auf die Vorschiffe von Arveprins Knud, Romsö, Prins Henrik und Dan- mark, die alle nebeneinanderlagen. Auch hier war alles ruhig, die Bugtore fest verschlossen und die Radargeräte standen still. Nach einigen Aufnahmen, die den Fortschritt im Fährschiffbau von den Sechzigern in die Siebziger in Bezug auf Linienform und Ausstattung wunderbar vergleichen lassen, schlenderte ich am einstigen dänischen Flaggschiff auf dem Fehmarnbelt entlang.

Anstelle der Prins Henrik, die nach Rödby überführt wurde, lag später das deutsche FS Karl Carstens, das bis dahin in Warnemünde aufgelegt worden war.

An der Danmark, über die wenig zuvor gemeldet worden war, daß sie als Supermarkt in Puttgarden aufgelegt werden sollte, was aber bald dementiert wurde, hatte der Zahn der Zeit innerhalb eines Jahres schon sehr stark genagt: Im Gegensatz zu den anderen Schiffen im Hafen von Nakskov, die allesamt ihre ersten Roststellen aufweisen konnten, blätterte ihre hastig am Rumpf aufgetragene Aufschrift “Scandlines” schon kräftig ab und an einigen Stellen war die schwarze Rumpffarbe bereits ein Gemisch aus weiß, dunkelgrau und rostrot. Ein solches Schiff hätte ohne Neuanstrich selbst für einen Supermarkt eine nicht gerade gute Visitenkarte abgeben.

Am Heck angekommen lag zur linken in einem (noch gefluteten) Trockendock die RoRo-Fähre Kraka. Wer die Ecken und Kanten derartiger Schiffe liebt, hatte hier die einmalige Chance, rund um das Schiff zu wandern und alle “Auswüchse” genau zu betrachten. Für mich war die kleine Holger Danske viel interessanter, schließlich war hier die Heckklappe offen, und an Bord schien sich sogar noch etwas zu regen.

Ein freundlich grüßender Däne mit Handy kam von Bord, schritt an mir vorbei zu seinem Wagen und brauste davon. Während ich endlich in Ruhe die 1991 erfolgten Umbauten am Bug betrachtete (wenn man bei einem Doppelendschiff von Bug und Heck reden darf, da aber der Heimathafen Kalundborg am nicht umgebauten Ende prangte, ist dieser Schluß wohl richtig), ging mir auf, daß ich da gerade die Möglichkeit verpaßt hatte, freundlich zu fragen, ob man denn mal über die Gangway durch die geöffnete Seitenklappe an Bord gehen könnte. Okay, mehr als wieder von Bord geschmissen zu werden, könnte mir nicht passieren. Aber der normale Mitteleuropäer pflegt eben doch erst zu fragen.

Eine Viertelstunde lief ich vor der alten Öresund-Fähre auf und ab. Im Inneren hörte ich zwar ein Hämmern, zu Gesicht bekam ich aber niemanden. Also machte ich mich auf den Rückweg, vorbei an einem leeren Trockendock, wo das nächste arbeitslose Fährschiff “vor Anker gehen” könnte. Einen kurzen Blick wollte ich noch auf die Prins Joachim werfen, die quer am Ende des Anlegers von Arveprins Knud lag. Ich stand gerade am Bug, als ein Mann mittschiffs aus der Fähre trat, in ein Auto stieg und verschwand. Also mußte sich doch noch jemand auf der Werft befinden. Von hinten näherte sich bald darauf ein Kleinbus, der nicht weit von mir hielt. Die Chance wollte ich jetzt nutzen und ging auf den Mann zu. Ob es da ´ne Chance gäbe, mal an Bord zu kommen?

Als Antwort hätte ich jetzt ein “Nein, das geht leider nicht!” oder “Das ist viel zu gefährlich, wenn Ihnen was passiert, müssen wir haften!” erwartet. Völlig verblüfft war ich, als mich der Däne angrinste und fragte: “Welches denn?” Wenig später gelangte ich in seinem Schlepptau mittschiffs auf das untere Autodeck der Arveprins Knud und von da aus über die seitlichen Scheuerleisten (!) weiter auf die Romsö. Mein Fremdenführer stellte fest, daß er jetzt weiter müsse und ich mich doch umschauen solle. Er würde aber in einer Stunde nach Hause gehen und die Tür zusperren. Dann sollte ich vielleicht besser wieder von Bord gegangen sein.

Und schon stand ich ganz alleine im hell erleuchteten, leeren unteren Autodeck der Romsö, welches wegen ihrer Zwillingsschornsteine ohne jegliche Zwischenbauten ausgestattet worden war. Die Hydraulik der Decktüren war ausgeschaltet, die schweren Tore mußte ich per Hand aufstemmen und gelangte so wenig später auf das Salondeck der 1973 in Helsingör gebauten Fähre. Außer unzähligen leeren Tischen und Stühlen herrschte hier bereits gähnende Leere: Sämtliche Einrichtungsgegenstände wie Blumen, Kassen, Bestecke, Teller etc. waren nicht mehr an Bord. Nun war das nicht weiter schlimm, nämliche Dinge waren ja nicht so sehenswert wie z. B. die kleinen Nebenzimmer, bei deren Öffnung der Reisende im Fährdienst wohl nur vorwurfsvolle Blicke geerntet hatte. Auch an Oberdeck galten endlich einmal keine Verbote. Ein leichtes Kribbeln im Bauch drückte ich dann hoffnungsvoll die Klinke der Tür, die auf die Kommandobrücke führte. Pech gehabt, geschlossen.

Aber: Es gab ja noch eine an Bord, am Heck. Und hier hatte ich mehr Glück: Wenig später befand ich mich dort und versuchte nachzuempfinden, wie es wohl 24 Jahre lang gewesen sein mußte, wenn der Kapitän schnelle, kurze Befehle gab, um das Schiff mit möglichst wenigen Blessuren an den Anleger zu manövrieren.

Zurück auf der Arveprins Knud stolperte ich fast über Kisten, die mit “ Museet” beschriftet waren und scheinbar die Maschinenjournale beinhalteten. Daneben ein wenig Kleinkram, ein paar Flaschen Wein, Tampen und Ölflaschen. Das Absperrschild am Bug “Kein Zugang, Schiff ist nicht im Verkehr” weckte mein Interesse, aber einfach mitnehmen? Nein, das wollte ich nun auch nicht und fragen konnte ich wieder niemanden, weil erneut kein Mensch in der Nähe war. Also begnügte ich mich, es wieder an seinen Platz zu hängen und machte mich auch hier auf Erkundungstour.

Das Innenleben ähnelte dem der Romsö: Stühle, Stühle, Stühle, leere Büffettresen (nicht mal ein Flaschenöffner oder Kugelschreiber war zurückgeblieben), verwaiste Spielgeräte und das einzige Licht kam von draußen. Angesichts der absoluten Ruhe im Schiff konnte man sich schon durch eine zufallende Tür gewaltig erschrecken. An Oberdeck, auf dem Erbprinz noch mit Holz geplankt, hatte sich eine grüne Schicht angesetzt, stellenweise war es schon recht glatt. Sehr interessant war der Einblick in die Salons des Kapitäns vom ehemals abgesperrten Brückenzugang (wenn auch nur von außen). Leider war auch hier die vordere Brücke abgeschlossen, die hintere wiederum offen. Aber hier zeigte sich dann doch der zehnjährige Unterschied zwischen den beiden Stiefschwestern. Holzschiebetüren und eine geradezu spartanische Einrichtung waren noch 1963 zeitgemäß. Einen gewaltigen Schrecken jagte mir dann der plärrende Lautsprecher ein, als ich es mir auf dem einfachen Kapitänssessel so ein wenig gemütlich gemacht hatte.

Nun wurde es aber auch langsam Zeit, zum Rückzug zu blasen. Eine Nacht an Bord zu verbringen, mochte zwar teilweise verlockend sein, aber ohne Essen und Decke hätte es wohl ein wenig ungemütlich werden können. Also noch einen letzten Blick durch die verlassenen Räume werfen und dann Richtung “Museumsausgang” geschlendert.

Vielleicht wird das eine oder andere Schiff noch einmal glückliche Zeiten auf See erleben, für einige könnte das nächste Ablegen die letzte Fahrt einläuten. Und unter diesen Umständen paßte diese depressive Stimmung durch das trübe, dunkle Wetter und die Einsamkeit im Hafen von Nakskov so richtig gut zu meinem Besuch in der Vergangenheit.

Als ich zwei Stunden später auf der neuen Doppelendfähre Prinsesse Benedikte (immerhin auch ein Name mit Belt-Tradition) im Hafen von Rödby auf die gute alte Dronning Margrethe II hinunterschaue, denke ich ein bißchen wehmütig an die schöne Zeit zurück, als man Vormittage in Hallskov auf der Mole verbracht hat, um Bilder einzufangen, als die Schiffe der Vogelfluglinie noch viel

individueller und interessanter waren und als man am Öresund noch zwölf Fähren gleichzeitig zwischen Helsingör und Helsingborg hin- und herpendeln sehen konnte. Während die Prinsesse Benedikte ausläuft, blicke ich der Dronning Margrethe II, 1973 genau da gebaut, wo jetzt die vielen alten Kollegen aufliegen, hinterher: “Wenigstens eine, die überlebt hat!”                                   

Nachtrag vom 28/12/2000: Sprogö und Arveprins Knud sind 2000 nach Saudi-Arabien verkauft worden und sollen bald zwischen Safaga und Duba verkehren. Prins Henrik heißt jetzt Gioventu und fährt in Italien, Dronning Ingrid wird zum Hospitalschiff Africa Mercy umgebaut. Prins Joachim wird bald die Dronning Margrethe II zwischen Gedser und Rostock ersetzen, wo diese verkehrte, seit sie von Holger Danske auf der Vogelfluglinie als Gefahrenfähre ersetzt wurde. Die Mercandia-Fähren sind jetzt Kabelleger o.ä., fahren also nicht mehr als Fähre, was durchaus erfreulich ist. Romsö wurde nach Indonesien verkauft. Alle sind noch unterwegs, nur die Danmark wurde in Grenaa verschrottet. Da hatte mein Eindruck wohl nicht getrügt.

08/10/2001: Prins Joachim fährt seit April als drittes Schiff zwischen Gedser und Rostock. Dronning Margrethe II weiter im Einsatz.

30/06/2004:
Prins Henrik heißt jetzt Espresso Durazzo und fährt jetzt zwischen Bari und Durres.

27/12/2005:
Sprogö und Arveprins Knud sind am 16. bzw. 17. Oktober 2004 in Alang auf dem Strand gelandet. Die Dronning Margrethe II wurde Anfang 2005 zwischen Gedser und Rostock entbehrlich und im Mai 2005 nach Alang gebracht, durfte aber nach einigen Turbulenzen erst einmal wieder wegdampfen, weil kurz zuvor die Nacht-und-Nebel-Transaktion der dänischen “Urfähre” Kong Frederik IX. nach Alang an den Behörden vorbei für großes Durcheinander gesorgt hatte. Im September 2005 landete sie dann aber doch in Alang. An der Dronning Ingrid wird immer noch geschraubt.

07/03/2008:
Alle Wege führen nach Alang: Im Sommer 2006 wurde die Romsö ebenfalls in Indien abgewrackt. Auch die Prins Henrik hat es mittlerweile erwischt - im April 2007 kam auch sie in Alang an. Dagegen konnte die Dronning Ingrid endlich im Mai 2007 ihren Hilfsdienst aufnehmen. Somit sind nur noch Prins Joachim und Holger Danske übrig. Beide sind immer noch in Diensten von Scandlines unterwegs - zwischen Dänemark und Deutschland.

Hier ein Photo der Holger Danske einlaufend Puttgarden (von Rödby) im August 2007:

Dänemark 082007 306

Und abschließend noch die Prins Joachim im Mai 2007, aufgenommen beim Passieren von Warnemünde. Tags darauf durfte ich mit ihr von Gedser nach Rostock fahren - ich hatte mich also im Dezember 1998 richtig entschieden, auf Arveprins Knud und Römsö zu gehen...

Rostock 05 2007 010(1)